... 1768 unser großer deutscher Denker und Gelehrter Friedrich Schleiermacher geboren. Der Sohn eines Feldpredigers und einer Klerikertochter wurde selbst ein Pfaffe und bestritt bis ans Ende seiner Tage seinen Lebensunterhalt als ein solcher. Später gelang es ihm Lehrstühle für Gotteskunde in Halle an der Saale und in Berlin zu ergattern. Sein wohl größtes Werk waren wohl die Übersetzung der Schriften des altgriechischen Philosophen Platons. Nach dem Unglücksjahr 1807 schloß er sich unserem Freiherrn Karl vom Stein und unserem Wilhelm von Humboldt an. Vor allem bei der Erneuerung des preußischen Bildungswesens half unser Schleiermacher mit. Später geriet er ein wenig in die Wirren von Metternichs Demagogenverfolgung und stritt sich zudem mit Friedrich Wilhelm dem Dritten wegen Kirchenfragen. Dennoch wurde er in die Preußische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und war Mitglied der berühmten Deutschen Tischgesellschaft. Vor den Traualtar trat unser Schleiermacher im Jahre 1809 mit Henriette von Willich. Vier Kinder gingen aus dieser Verbindung hervor. Das Werk unseres Denkers und Gelehrten ist recht umfangreich und nur bedingt nutzbar, da er als Pfaffe viele christliche Dinge erörtert hat, die für uns Heiden wertlos sind. „Hermeneutik und Kritik“, „Monologe“, „Über die Religion“, „Über die Philosophie Platons“, „Ethik“, „Dialektik“, „Die Weihnachtsfeier. Ein Gespräch“, „Bruchstücke der unendlichen Menschheit“, „Die Theorie der Erziehung“ und „Begriff der Kunst“ könnten aber recht brauchbar sein und daher für die heimische Panzerbücherei angeschafft werden. Wie gewohnt tragen wir Panzertiere euch die Werke von unserem Denker zu Feier von dessen Wiegenfest vor. Daher hört ihr nun ein Stück aus dessen Monologen: http://www.zeno.org/Philosophie/M/Schleiermacher,+Friedrich/Monologen „Auch die äußere Welt, mit ihren ewigen Gesetzen wie mit ihren flüchtigsten Erscheinungen, strahlt in tausend zarten und erhabenen Bildern gleich einem Zauberspiegel unseres Wesens Höchstes und Innerstes auf uns zurück. Welche aber den lauten Aufforderungen ihres tiefen Gefühles nicht gehorchen, welche die leisen Seufzer des gemißhandelten Geistes nicht vernehmen, an diesen gehen auch die wohltätigen Bilder verloren, deren sanfter Reiz den stumpfen Sinn schärfen soll und spielend belehren. Selbst von dem was der eigene Verstand erdacht hat und immer wieder hervorbringen muss, missverstehen sie die wahre Deutung und die innerste Absicht. So durchschneiden wir die unendliche Linie der Zeit in gleichen Entfernungen, an oft nur willkürlich durch den leichtesten Schein bestimmten Punkten, die für das Leben, weil alles abgemessene Schritte verschmäht, ganz gleichgültig sind und nach denen nichts sich richten will, weder das Gebäude unsrer Werke, noch der Kranz unserer Empfindungen, noch das Spiel unserer Schicksale: und dennoch meinen wir mit diesen Abschnitten etwas mehr als eine Erleichterung für den Zahlenbewahrer, oder ein Kleinod für den Chronologen; bei jedem vielmehr knüpft sich daran unvermeidlich der ernste Gedanke dass eine Teilung des Lebens möglich sei. Aber Wenige dringen ein in die tiefsinnige Allegorie, und verstehen den Sinn der vielfach wiederkehrenden Aufforderung. Der Mensch kenne nichts als sein Dasein in der Zeit und dessen gleitenden Wandel hinab von der sonnigen Höhe des Genusses in die furchtbare Nacht der Vernichtung; Vorstellung und Empfindung auseinander entwickelnd und in einander verschlingend, so meinen sie, ziehe eine unsichtbare Hand den Faden seines Lebens fort, und drehe ihn jetzt loser, jetzt fester zusammen, und weiter sei nichts. Je schneller seiner Gedanken und Empfindungen Folge, je reicher ihr Wechsel, je harmonischer und inniger ihre Verbindung, desto herrlicher sei das bedeutende Kunstwerk des Daseins vollendet; und wer noch überdies seinen ganzen Zusammenhang mechanisch erklären und auch die geheimsten Springfedern dieses Spiels aufzeigen könne, der stände auf dem Gipfel der Menschheit und des Selbstverständnisses. So nehmen sie das zurückgeworfene Bild ihrer Tätigkeit für ihr eigentliches Thun, die äußeren Berührungspunkte ihrer Kraft mit dem, was nicht sie ist, für ihr innerstes Wesen, die Atmosphäre für die Welt selbst, um welche sie sich gebildet hat. Wie wollten Solche die Aufforderung verstehen, welche in jener Handlung liegt, der sie nur gedankenlos zusehen! Der Punkt, der eine Linie durchschneidet, ist nicht ein Teil von ihr, er bezieht sich auf das Unendliche eben so eigentlich und unmittelbarer, als auf sie; und überall in ihr kannst Du einen solchen Punkt setzen. So auch der Moment, in welchem Du die Bahn des Lebens teilst, soll selbst kein Teil des zeitlichen Lebens sein: anders soll er sich erzeugen und gestalten, um Dir ein unmittelbares Bewusstsein von Deinen Beziehungen mit dem Ewigen und Unendlichen zu erregen; und überall wo Du willst, kannst Du so den Strom des zeitlichen Lebens hemmen und durchschneiden. Darum erfreue ich mich als einer bedeutungsvollen Mahnung an das Göttliche in mir der schönen Einladung zu einem unsterblichen Dasein außerhalb des Gebietes der Zeit, und freigesprochen von ihrem Gesetz! Die aber um den Beruf zu diesem höheren Leben nicht wissen mitten im Strom der flüchtigen Gefühle und Gedanken, finden ihn auch dann nicht, wenn sie, ohne zu wissen was sie tun, die Zeit messen und das irdische Leben abteilen. Wenn sie lieber nichts merkten von dem, was ihnen gesagt werden soll, dass nicht ihr eitles Thun und Treiben, indem es der hehren Einladung zu folgen strebt, so schmerzlich mein Gemüt bewegte! Wohl mögen auch sie einen Punkt haben, den sie nicht ansehen als flüchtige Gegenwart, nur dass sie nicht verstehen ihn als Ewigkeit zu behandeln. Oft auf einen Augenblick, bisweilen auf eine Stunde, nun gar auf einen Tag sprechen sie sich los von der Verpflichtung so emsig zu handeln, so eifrig Genuss und Einsicht anzustreben, wie es sonst auch der kleinste Teil des Lebens von ihnen verlangt, wenn er sie mahnt, dass er eben so bald Vergangenheit sein wird, als er noch kürzlich Zukunft war. Dann ekelt es sie Neues wahrnehmen, oder genießen, wirken oder hervorbringen; sie setzen sich ans Ufer des Lebens, aber können nichts tun, als in die tanzende Welle lächelnd hinabweinen. Gleich der trübsinnigen Wut, die an des Mannes Grabe Weiber oder Sklaven mordet, so schlachten sie am Grabe des Jahres den Tag, der in leeren Phantasien vergeht, ein vergebliches Opfer. Für den soll es kein Nachdenken und keine Betrachtung geben, der doch nicht das innere Wesen des Geistes darin erkennt! der soll nicht streben, sich loszureissen von der Zeit, der doch in sich nichts kennt, was ihr nicht angehört! Denn wohin sollte er ihrem Strome entsteigen, und was könnte er sich erstreben, als fruchtloses Leiden und herbes Vernichtungsgefühl? Vergleichend wägt der Eine ab Genuss und Sorge der Vergangenheit, und will das Licht, das ihm aus der zurückgelegten Ferne noch nachschimmert, in ein einziges kleines Bild vereinigen, unter dem Brennpunkt der Erinnerung. Ein Anderer schaut an, was er gewirkt, den harten Kampf mit Welt und Schicksal ruft er gern zurück; und froh, dass es noch so geworden, sieht er hier und da auf dem neutralen Boden der gleichgültigen Wirklichkeit ein Denkmal stehen, das er sich aus dem trägen Stoff herausgebildet, obwohl Alles weit hinter seinem Vorsatz zurückgeblieben. Es forscht ein Dritter, was er wohl gelernt, und schreitet stolz in viel erweiterten und vollgefüllten Speichern der Kenntnisse daher, erfreut, wie doch so vieles sich in ihm zusammendrängt. O kindisches Beginnen der eitlen Einbildung! Dem fehlt der Kummer, den die Phantasie gebildet, und den aufzubewahren das Gedächtnis sich geschämt; es fehlt jenem der Beistand, den Welt und Schicksal selbst geleistet, wiewohl er beide jetzt nur feindlich begrüßen möchte; und dieser bringt nicht mit in Anschlag das Alte, was von dem Neuen verdrängt ward, die Gedanken, die er unter dem Denken, die Vorstellungen, die er unter dem Lernen wieder verlor, und niemals ist die Rechnung richtig. Doch wäre sie es, wie tief verwundet es mich, dass Menschen denken mögen, dies sei Selbstbetrachtung, dies heiße Sich erkennen. Dafür auch wie dürftig endet das hochgepriesene Geschäft! die Phantasie ergreift das treue Bildnis der vergangenen Zeit, mit schöneren Umgebungen nicht sparsam, malt sie es in den leeren Raum der nächsten Zukunft, und sieht oft seufzend auf das Urbild noch zurück. So ist die letzte Frucht nur jene eitle Hoffnung, dass Besseres kommen werde, oder jene gemeine Klage, dass dahin sei, was so schön gewesen, und dass der Stoff des Lebens mehr und mehr von Tag zu Tage schmelzend der schönen Flamme bald das Ende zeige. So zeichnet die Zeit mit leeren Wünschen und mit eitlen Klagen brandmarkend schmerzlich ihre Sklaven, die entrinnen wollten, und macht den Schlechtesten dem Besten gleich, den sie eben so sicher sich wieder hascht. Wer statt der Tätigkeit des Geistes, die verborgen in seiner Tiefe sich regt, nur ihre äußere Erscheinung kennt und sieht; wer statt Sich anzuschauen nur immer von fern und nahe her ein Bild des äußeren Lebens und seines Wechsels sich zusammenholt: der bleibt der Zeit und der Notwendigkeit ein Sklave; was er sinnt und denkt, trägt ihren Stempel, ist ihr Eigentum, und nie, auch wenn sich selbst er zu betrachten wähnt, ist ihm vergönnt, das heilige Gebiet der Freiheit zu betreten. Denn in dem Bilde, was er sich von sich entwirft, ist er sich selbst zum äußeren Gegenstand geworden, wie alles andere ihm ist: und alles darin ist nur durch äußere Verhältnisse bestimmt. Wie ihm sein Dasein erscheint, was er dabei sich denkt und fühlt, alles hängt ab vom Gehalt der Zeit, und von desjenigen Beschaffenheit, was ihn berührt hat. Wer mit tierischem Gemüte nur den Genusssucht, dem scheint sein Leben arm oder reich, nachdem der angenehmen Augenblicke viel oder wenig verstrichen sind in gleicher Zeit; und dieses Bild betrachtet er mit Wohlgefallen oder nicht, je wie das günstigste darin das erste oder letzte war. Wer ein anmutiges und gepriesenes Leben bilden wollte, hängt ab von Anderer Urteil über sich, vom Boden, auf dem er stand, und von dem Stoff, den seiner Arbeit das Schicksal vorgelegt; so auch wer wohltätig zu wirken strebte. Die beugen alle sich dem Zepter der Notwendigkeit, und seufzen unter dem Fluch der Zeit, die nichts bestehen lässt...“.