...lle, hat heute Geburtstag. Im Jahre 1919 erblickte unser Fliegerheld in Charlottenburg bei Berlin das Licht der Welt. Im Sechsjährigen Krieg hat er 158 feindliche Flieger auf weniger als 400 Feindflügen zur Strecke gebracht und es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, daß er womöglich die 500 erreicht haben würde, wenn er nicht im September 1942 von den Nornen durch einen Unfall gefällt worden wäre. Das Eiserne Kreuz beider Klassen und das Ritterkreuz mit Eichenlaub, Schwertern und Edelsteinen hat er abgestaubt. Zur Luftwaffe ging er 1938 und seine Feuertaufe erlebte er in der Luftschlacht um England. Im April 1941 kam er zu uns nach Afrika und hat bei der Reinhaltung des Himmels mächtig mitgeholfen. Die Geschichte unseres Marseilles weiß unser Panzergeschichtsschreiber Fritz Dettmann in seinem kanonischen Panzerbuch „Mein Freund Marseille“ zu berichten - von den Luftkämpfen über der englischen Festung Tobruk lese ich euch daraus ein wenig vor: „Die Dritte Staffel stand über Tobruk. Unter einem Himmel, durchsichtig bis in die Unendlichkeit und ein einziges bewegungsloses Glimmen, flogen die Maschinen. Sie saßen kurvend oder zum Teil mitstürzend in dichter Nähe der letzten noch steil auf ihre Ziele gehenden Stukas. Schwerfällig quollen aus den Bunkern am felsigen Saum dieser Stadt und am Hafen die Explosionswolken der Bomben, die wie Nebelschwaden dicht über der Erde nach Süden krochen. Mit zitternden Fontänen antwortete die Flak. Oft ballte sich Abwehrfeuer, daß man den dumpfen Stoß der berstenden Granaten spürte und die aufsprühenden Feuerbälle vor sich an einem Punkte sah, den man zwei Sekunden später überflog. Die Flugzeuge schwammen wie in einem Teich, in den der Krieg seine Angeln warf. Oben wie unten drehte sich das Glücksrad, und wo es stehen blieb, da war plötzlich am lichten Tage die dunkle Unendlichkeit. Eine Ju 87, eine der letzten, die gestürzt waren und die sich nun ihrer Staffel anschließen wollte, geriet in ein lebendes Minenfeld krepierender Geschosse. Ein Teil des Leitwerkes wirbelte durch die Luft, und ein gläserner Blitz leuchtete auf, als das Kabinendach, vom Luftstrom weggerissen, davon trieb. Sekunden später fiel ein Körper aus der Maschine. Marseille und Pöttgen, die in diesem Augenblick in unmittelbarer Nähe flogen, drückten steil herunter, als wollten sie den Weg des Verlorenen kreuzen und den Körper mit ihren Flugzeugen fangen. Doch die Frage, ob es ein Verlorener war oder nicht, schien noch unentschieden. Denn der Körper fiel nicht mehr, sondern schwebte nun unter dem weißen Schirm, der mit einer Herde von Flakwolken im Himmel trieb. Der Funkei daran hatte keinen Grund aufzuatmen. Er schwebte, umhüllt von einem Netz weißer Fäden, das die leichte Flak um ihn schoß, aus dem Chaos des Himmels, dem er eben entronnen schien, in das Chaos der Erde hinunter. Der schwache Wind war ungünstig. Er trieb kaum merklich, ließ ihn vielmehr fast senkrecht mitten auf Tobruk zu gleiten. Der Funker, den Treffer eines Geschosses erwartend, befand sich in jenem seltsamen und schwer zu schildernden Zustand, der Menschen erfaßt, denen nur ein Atemzug an Zeit geblieben ist auf dem Wege von einem Unheil ins andere. Es ist eine Mischung von Gleichgültigkeit und letzter Hoffnung, an die man allerdings nicht mehr recht glauben möchte. Nicht, daß man nicht die Sinne beisammen hätte. Der Schwebende sah interessiert einem Schauspiel zu, das sich tausend Meter über ihm eröffnete, wo jetzt ein übermächtiger Pulk englischer Jäger, er zählte sogar die Maschinen und stellte fest, daß es an die zwanzig waren, mit der die deutsche Staffel Berührung hatte. Es war ein Vorgang, dem selbst er, der ja doch dichter daran war als alle, die es vielleicht von unten sahen, nicht in allen Einzelheiten zu folgen vermochte. Blitzschnell wechselten die Szenen. Einmal war es ein wirbelnder Haufe, dann wieder ein hier und dort in die Höhe schwirrender Pfeil, dem die weißroten Fäden der Leuchtspurgeschosse nacheilten oder ein in der Sonne schimmerndes Etwas, ein Flugzeug, das durch ein unsichtbares Band mit einem ihm folgenden verbunden schien, und nun mit voll laufendem Motor senkrecht in die Tiefe raste. Auch das war seltsam für den Funker, zum ersten Male in der Luft, wo doch sonst der Motorenlärm die Ohren bis zum Rande füllt und man das Schießen nur sieht, jetzt auch zu hören. Er sah und wußte nicht, daß sein Flugzeugführer die zerfetzte Maschine doch noch aus dem Flakfeld herausgebracht hatte und auf deutschem Gebiet verwundet gelandet war. Der Funker war gesprungen, als kurz nach den klatschenden Geräuschen der Geschoßsplitter, die zwei Handbreit vor ihm durch die Kabine rissen, der Befehl „Raus!“ gekommen war. Nun trieb er seinem Schicksal entgegen. Oben aber rang ein Fähnlein gegen eine Übermacht. Wo sie kämpften, zogen die Geschoßfäden helle Furchen in das Blau, und aus den sich lösenden Furchen wuchsen Punkte, die wie weiße Blumen am Himmel blühten. Denn der Äther ist wohl das reinste, aber auch unbarmherzigste Schlachtfeld der Menschen. Er stößt die Besiegten von sich und duldet nicht Trümmer und Schmutz. Sein Atem verwischt selbst die schwachen Spuren, die Pulver und Raudi hinterlassen wollen. Nicht einmal das Meer hat solche Reinheit. Es muß die Besiegten zu sich nehmen und auch die Trümmer behalten. Das Kampffeld des Himmels aber wird noch rein bleiben, wenn einen Tag lang Hunderttausend gegen Hunderttausend unter ihm kämpften und die Vernichtung Triumphe feierte...“.