...reckensgeist, Der Alles teilt und Alles spaltet Und jede schöne Form zerreißt. Verderben brütet auf der Erde, Am höchsten Leben zehrt der Tod, Der auch der Glut auf Vestas Herde Den Untergang im Sturme droht. Soll auch das Heil'ge von uns weichen? Wird unser Köstlichstes ein Raub? Kann nichts der Götter Ohr erreichen, Und sind sie jedem Flehen taub? – Da fühlt ein überirdisch Wehen Der frommen Beter kleine Schar: Es naht, erzeugt in Äthers Höhen, Ein Götterbild sich dem Altar. Die Heil'ge, die des Herdes pfleget, Wann in den Krieg die Götter ziehn, Die Herz und Seele sanft beweget, In neuen Flammen zu erglühn – Sie ist es, die ein junges Leben Den schon erstarrten Formen beut, Sie ist es, der sich jedes Streben Für's Heiligtum der Menschheit weiht.“ (Max von Schenkendorf) Uns echten Preußen ist der Geburtstag unserer großen Königin Luise unvergessen und stets ein Grund zum Feiern. Mag es dieser vom mißgünstigen Schicksal auch nicht vergönnt gewesen sein, die Auferstehung ihres Vaterlandes miterleben zu dürfen, so half sie doch mit die Keime für die Wiederherstellung Preußens zu pflanzen und ermöglichte damit ihren Rittern um Blücher, Scharnhorst und Geneisenau dem Napoleon tüchtig aufs Haupt zu schlagen: „Aber auch Bonaparte hat zuweilen einen falschen Maßstab gebraucht. Nach dem Waffenstillstand 1813 hat er geglaubt, die untergeordneten Heere der Verbündeten, Blüchern und den Kronprinzen von Schweden, durch Korps zu beschwichtigen, die zwar zu einem wirklichen Widerstand nicht hinreichten, aber doch der Behutsamkeit hinreichende Veranlassung sein konnten, nichts zu wagen, wie man das in den früheren Kriegen so häufig gesehen hatte. Er dachte nicht genug an die Reaktion eines tiefgewurzelten Hasses und dringender Gefahr, die in Blücher und Bülow wirkten. Überhaupt hat er den Unternehmungsgeist des alten Blücher nirgends hoch genug angeschlagen. Bei Leipzig brachte dieser ihn allein um den Sieg; bei Laon hätte Blücher ihn zugrunde richten können, und daß es nicht geschah, lag in Umständen, die ganz außer dem Kalkül Bonapartes waren; bei Belle-Alliance endlich erreichte ihn die Strafe dieses Fehlers wie ein vernichtender Blitzstrahl.“ (Carl von Clausewitz) Geboren wurde unsere Königin Luise 1776 in Hannover. Sie lernte 1793 den preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm kennen und heiratete diesen noch im selben Jahr. Königin von Preußen war sie ab 1797 und ergriff 1806 die Seite der Kriegspartei. Zehn Kinder schenkte sie Friedrich Wilhelm der Dritte, darunter unseren Preußenkönig Friedrich Wilhelm der Vierte und Kaiser Wilhelm der Große. Die Geschichte unserer Königin Luise hat die Geschichtsschreiberin Gertrude Aretz niedergeschrieben. Das Eheleben des Kronprinzenpaares und die damaligen Familienverhältnisse der Hohenzollern kommen nun zur Sprache: „Und gerade diese Eigenschaften besaß Friedrich Wilhelm nicht. Als Kronprinz brauchte er sich zu seinem Glück – abgesehen von den verschiedenen Feldzügen, an denen er teilnahm – nicht um die Politik und die Staatsgeschäfte zu kümmern. Sein Leben mit Luise floß sehr ruhig und gleichmäßig dahin. Wenn sie sich in Potsdam aufhielten, war es noch einförmiger, besonders wenn keine Veranlassung zu irgendwelchen Gesellschaften und Festen war. Seine Pferde, sein Regiment und eine Partie Kegel waren ihm, besonders als jungem Mann, die liebste Zerstreuung. Die Jagd liebte er gar nicht. Er fand sie ebenso roh und grausam wie den Krieg. Hingegen konnte er stundenlang mit der Kronprinzessin in der Umgegend von Paretz ober Potsdam reiten. Auch Luise hatte die größte Freude an diesen Spazierritten, denn sie war eine ausgezeichnete Reiterin. Besonders liebte sie diese Ausflüge zu Pferd, weil dann der Kronprinz an ihrer Seite etwas gesprächiger wurde als gewöhnlich zu Hause. In solchen Augenblicken des Alleinseins war es wohl auch, daß er zu ihr sagte: „Gott sei Dank, daß Du wieder meine Frau bist.“ – Und wenn dann Luise fragte: „Bin ich denn das nicht immer?“ so antwortete er mit sichtlichem Bedauern: „Leider nein; Du mußt nur zu oft Kronprinzessin sein.“ Im Grunde war er ein verschlossener, menschenscheuer Charakter, den alles Öffentliche in eine gewisse Verlegenheit versetzte. Und daran waren wohl seine Kinderjahre, seine ganze Erziehung schuld, denn er besaß keine schlechten Anlagen. Er sprach vorzüglich Französisch und konnte, wenn er diese Sprache anwandte, auch viel beredter sein. Deshalb war es auch Luise am liebsten, wenn er sich mit ihr französisch unterhielt und seine Briefe französisch schrieb. Im Deutschen sprach er kurz und abgehackt, im Französischen fließend und leicht. Im großen und ganzen war seine Erziehung ziemlich vernachlässigt worden. Sein Vater hatte sich nicht viel um ihn gekümmert. Friedrich Wilhelm II. lagen seine unehelichen Kinder weit mehr am Herzen als seine ehelichen. Um dieselbe Zeit, als der Kronprinz geboren wurde, schenkte auch Madame Ritz einem Sohne vom König das Leben, dem Grafen Alexander von der Mark, und der Vater dieser beiden Kinder war ausschließlich mit dem Bastard beschäftigt, der bereits in seinem neunten Lebensjahr starb und von ihm aufs schmerzlichste betrauert wurde. So sehr trauerte der König um diesen Lieblingssohn, daß er sich den Geist des kleinen Verstorbenen in einer der spiritistischen Sitzungen, welche die Ritz und Bischoffwerder mit Vorliebe für den König veranstalteten, zitieren ließ. Der kleine Geist erschien auch prompt, aber nur, um den König daran zu erinnern, daß dieser Madame Ritz niemals verlassen solle. Und Friedrich Wilhelm II. hat das Versprechen treu gehalten. Unter solchen Verhältnissen wuchs der Kronprinz Friedrich Wilhelm auf, an der Seite einer oberflächlichen Mutter, die mit ihren eigenen Angelegenheiten beschäftigt war. Die Kinder waren meist der Dienerschaft und nicht immer tüchtigen und geschickten Erziehern überlassen. Sie wuchsen auf ohne Liebe und ohne Herzlichkeit. Als der sechzehnjährige Kronprinz in die Hände des klugen Grafen Karl Brühl, des zweiten Sohnes jenes berüchtigten Ministers Augusts des Starken, kam, war es bereits zu spät. Brühl schien in dieser Beziehung keinen Einfluß auf ihn zu haben. Der gutmütige Köckritz, der ihm nach dem Tode Schacks als Adjutant beigegeben wurde und immer sein Freund blieb, war wohl ein äußerst menschlicher Charakter, aber durchaus nicht geeignet, einem so schwachen Menschen, wie Friedrich Wilhelm III., Selbstvertrauen beizubringen, denn Köckritz besaß zu sich selbst auch keins. Noch unbedeutender war der zweite Adjutant von Jagow. An der Seite dieses verschlossenen, eigenartigen Gatten baute Luise sich ihr Glück selbst auf, ohne jedoch zu versuchen, seinen Charakter wesentlich zu ändern. Sie war eine mehr passive, weiche Natur, die sich unbedingt dem Manne unterordnete, der ihr vom Gesetz zum Gatten gegeben wurde. Vielleicht wäre eine andere Frau, die weniger auf seine Eigenarten einzugehen verstand, mit Friedrich Wilhelm unglücklich geworden. Luise aber überbrückte alle diese Unebenheiten in ihrer Ehe mit ihrem heiteren Sinn und ihrem großen Feingefühl für alle menschlichen Schwächen. Kleine Rauheiten und Eigenarten ihres Mannes nahm sie mit ihrem biegsamen Wesen immer so auf, daß nie eine Reibung entstehen konnte. Und doch war er nicht immer leicht zu behandeln. Das vertrauliche „Du“, das sie in ihrem Privatleben eingeführt hatten, glättete ebenfalls manche Ungleichheiten. Es war übrigens eine ganz neue Mode, die der preußische Hof noch kaum erlebt hatte. Der alte König war aufs höchste darüber erstaunt, als er es hörte. Eines Tages sagte er zu seinem Sohn: „Wie ich höre, nennst du ja die Kronprinzessin du.“ – „Geschieht aus guten Gründen“, war die kurze Antwort! Und als der König weiter fragte, sagte der Kronprinz heiter: „Mit dem „Du“ weiß man doch immer, woran man ist; dagegen bei dem „Sie“ ist immer das Bedenken, ob es mit einem großen S gesprochen wird oder mit einem kleinen!“ Näher noch als alles andere brachten sie die gemeinsamen Familiensorgen, die Krankheiten der Kinder, des Kronprinzen und der Verwandten. Das Ende des Jahres 1796 und der Anfang des folgenden bedeuteten für Luise und ihren Gatten schwere, sorgenvolle Zeiten. Im Dezember 1796 starb der Prinz Louis, der Mann der Schwester Friederike, im Alter von fünfundzwanzig Jahren an der Bräune. Der Tod des Bruders erschütterte den Kronprinzen dermaßen, daß er einige Tage selbst ganz krank war. Dazu gesellte sich ebenfalls eine Art Bräune, die ihn binnen kurzer Zeit nahe an den Rand des Grabes brachte. Luise verließ ihn nicht einen Augenblick. Mit größter Liebe und Sorgfalt pflegte sie den Kranken und saß Nächte hindurch an seinem Bett, um ihn durch ihre Gegenwart zu trösten. Endlich, am 3. Januar 1797, wendete sich die Krankheit zum Bessern. Wie froh war Luise, als die Krise überstanden war. An Georg schrieb sie damals: „Meinen Mann in Gefahr zu wissen, ihn leiden zu sehen, das ist furchtbar. Niemals werde ich diese Zeiten des Unglücks vergessen...“.