...mehr und mehr geschwächt. Unter der Regierung Karls VI. hat es sich wieder erholt; aber nach dem Tode dieses Kaisers und dem Erlöschen des Mannsstammes glaubte Europa, es sei verloren. Eine Frau erhob es wieder und behauptete es mit Festigkeit. Sie wurde der Abgott eines vor kurzem noch aufrührerischen Volkes, das sie für ihre Sache in den Kampf führte. Diese Frau regiert noch jetzt. Wenn sie die verlorenen Provinzen noch nicht durch andere eroberte ersetzt hat, so hat sie doch, ihre Finanzen ordnend, Schätze gefunden, und ihre Einkünfte belaufen sich so hoch, wie die des Kaisers Karl VI. selbst zu der Zeit, da er Neapel besaß. Man berechnet ihre jährlichen Einkünfte auf 26 Millionen. Wirklich unterhält sie 140,000 Mann und kann diese Zahl, wenn Zeit und Umstände es erfordern, auf 200,000 steigern. Ihre Macht würde noch furchtbarer sein, wenn sie nicht jährlich 8 Millionen Taler abrechnen müßte, teils um die Zinsen zu zahlen, teils für einen Fonds zur Tilgung der während des letzten Krieges gemachten Schulden. Sie hat die Kunst verstanden, fähige Minister zu finden und zu wählen, und ihr Ministerrat ist durch Weisheit und systematisches Verfahren dem aller anderen Könige überlegen. Sie handelt aus sich selbst. Ihr Sohn läßt sich von ihr in den Geschäften belehren und folgt ihren Antrieben. Fürst Kaunitz und Hatzfeldt sind ihre besten Minister. Die Generale, die den größten Namen haben, sind Lacy und Laudon; wenn sie diese verlöre, würde es ihr schwer werden, unter der großen Zahl der übrigen ihresgleichen zu finden.“ So würdigte Friedrich der Große einmal das Werk seiner Widersacherin und unserer alten deutschen Kaiserin Maria Theresia. Das Licht der Welt erblickte sie 1717 als Tochter Kaiser Karls VI. und der Elisabeth Christine von Braunschweig. Regiert hat sie unser altes deutsches Reich von 1740 bis 1780, formell herrschten damals ihr Mann Franz I. und ihr Sohn Joseph II. - die deutsche Kaiserwürde gewann sie übrigens erst 1745 für ihren Gatten Franz von Lothringen. Der glücklose Wittelsbacher Karl VII. machte ihr vergebens den deutschen Thron streitig. Neben ihren äußeren Umtrieben und inneren Leistungen setzte sie sechzehn Kinder in die Welt und hat sich damit den Namen der Landesmutter wahrlich verdient. Ihr Geschichtsschreiber, der Ritter von Arneth, berichtet uns von den Windungen der Gallier bei ihrer Thronbesteigung: https://archive.org/details/geschichtemariat01arneuoft „Die ersten Kundgebungen der französischen Regierung, nachdem ihr die Nachricht vom Tode des Kaisers zugekommen war, schienen zu der Hoffnung zu berechtigen, Frankreich werde seinen vertragsmäßigen Verpflichtungen nachkommen und nicht nur das Erbrecht der Tochter Karls VI. in den österreichischen Ländern anerkennen, sondern sie auch in demselben gegen etwaige Angriffe von Außen her beschützen. Hierauf deuteten wenigstens die Versicherungen, welche Kardinal Fleury dem Botschafter Österreichs am Hofe von Versailles, Fürsten Wenzel von Liechtenstein gegenüber schriftlich und mündlich aussprach. Doch mußte andererseits wieder die auffallende Verzögerung, welche die französische Regierung bei Beantwortung des Schreibens eintreten ließ, in dem Maria Theresia den Tod ihres Vaters und ihre Thronbesteigung angezeigt hatte, Verdacht erregen. Man müsse erst, so behauptete der Kardinal, über das in einem Briefe des Königs von Frankreich an die Königin von Ungarn zu beobachtende Zeremoniell einen Beschluß fassen und zu diesem Ende in den Archiven darüber Nachforschungen anstellen, wie man es in früheren ähnlichen Fällen gehalten habe. Freilich verfehlte er nicht beruhigend hinzuzufügen, man möge in Wien keinen Augenblick dem Verdachte Raum geben, daß man hierbei irgendwelchen wider Österreich gerichteten Hintergedanken hege, und er könne nur die bestimmte Versicherung wiederholen, der König von Frankreich werde die gegebenen Versprechungen pünktlich erfüllen. Leider gelang es Fleury mit solchen Ausflüchten das Anfangs erwachte Mißtrauen der österreichischen Staatsmänner zu beschwichtigen und sie wenigstens eine Zeit lang zu täuschen. Daß dies bei Sinzendorff und Bartenstein der Fall war, ist bei der bekannten Richtung dieser beiden Männer nicht zu verwundern. Aber selbst Franz von Lothringen, sonst durchaus kein Freund Frankreichs und seiner Regierung, zeigte sich voll Vertrauen in die Zusagen des Kardinals. Nur der greise Graf Gundaker Starhemberg gab einer anderen Anschauungsweise Raum, und er wurde darin durch die Berichte bestärkt, welche einer der ausgezeichnetsten österreichischen Agenten im Auslande, Ignaz von Wasner nach Wien gelangen ließ. Bestimmt, den Fürsten von Lichtenstein, wenn gleich nur in dem bescheideneren Range eines bevollmächtigten Ministers am französischen Hofe zu ersetzen, schrieb Wasner schon nach den ersten Tages seines Aufenthaltes zu Paris dem Hofkanzler Grafen von Sinzendorff: der Kardinal beharre zwar bei seinen früheren Beteuerungen und versichere fortwährend, daß nur die Nachforschungen in den Archiven so viele Zeit in Anspruch nähmen. Es zeige sich jedoch immer mehr und mehr, „daß die Königin ihr größtes Vertrauen nebst Gott in eine gute Armee und in zweckmäßige Vorkehrungen in ihren eigenen Erbkönigreichen und Landen zu setzen habe. Dadurch werde sie am ehesten im Stande sein, ihrer Feinde sich zu erwehren, ihre Freunde aber sich zu erhalten“...“.